Essstörungen wie Magersucht (anorexia nervosa), Bulimie (bulimia nervosa) oder Binge-Eating-Störung betreffen weltweit Millionen von Menschen und stellen eine erhebliche Belastung für die Betroffenen und ihr nahes Umfeld dar. Besonders in den letzten Jahren sind die Zahlen weiter angestiegen – auch aufgrund der Coronapandemie. Wenn du von einer Essstörung betroffen bist oder eine Person in deinem nahen Umfeld, fragst du dich wahrscheinlich, ob eine Heilung überhaupt möglich ist. Zur Beantwortung dieser Frage muss jedoch als erstes überlegt werden, was „Heilung“ individuell bedeuten kann und von welchen Faktoren die Überwindung einer Essstörung abhängt.

Verstehen, was Heilung bedeutet
„Heilung“ ist ein vielschichtiger Begriff, der im Zusammenhang mit Essstörungen unterschiedliche Bedeutungen haben kann. Für manche Menschen bedeutet er, völlig symptomfrei zu sein, während andere lernen, mit verbleibenden Herausforderungen konstruktiv umzugehen. Auch die Perspektive spielt dabei eine Rolle.
Unterschiedliche Perspektiven
- Körperliche Genesung
Wiederherstellung eines gesunden Körpergewichts und einer stabilen Ernährung - Psychische Genesung
Abbau von negativen Denkmustern und Aufbau eines positiven Selbstbildes - Soziale Genesung
Ermöglichung der Teilnahme am sozialen Leben
Heilung ist kein Ziel, das über Nacht erreicht wird, sondern ein Prozess, der Zeit, Geduld und Unterstützung erfordert.
Wie hoch sind die Heilungschancen?
Die Prognose bei Essstörungen variiert je nach Art der Erkrankung und individuellen Faktoren. Hier sind einige zentrale Zahlen:
- Anorexia Nervosa: Studien zeigen, dass etwa 50-60 % der Betroffenen eine vollständige Symptomfreiheit erreichen. 20-30 % erfahren eine deutliche Verbesserung ihrer Symptome, während etwa 10-20 % mit chronischen Verläufen konfrontiert sind.1
- Bulimia Nervosa: Etwa 70 % der Erkrankten berichten von einer deutlichen Besserung, und 50 % erreichen eine dauerhafte Remission.2
- Binge-Eating-Störung: Hier liegen die Genesungschancen bei rund 80 %, insbesondere bei früher Diagnose und Intervention.3
Einflussfaktoren
Neben einer frühen Diagnose ist auch der Zugang zu hochwertigen therapeutischen Angeboten entscheidend für den Behandlungserfolg. Eine wichtige Rolle spielt darüber hinaus auch die Bereitschaft, sich aktiv auf den Heilungsprozess einzulassen. Wenn noch ein unterstützendes Netzwerk aus Freunden und Familie hinzu kommt oder sich mit der Zeit entwickelt, kann der Weg zur Genesung einfacher werden.
Wege zur Heilung
Die Behandlung von Essstörungen ist multidisziplinär und umfasst oft eine Kombination aus medizinischer, psychotherapeutischer und ernährungswissenschaftlicher Betreuung.
1. Psychotherapie
- Kognitive Verhaltenstherapie (CBT): Fokus auf das Verändern ungesunder Denkmuster und Verhaltensweisen
- Andere Therapieformen, z.B. Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT), Familientherapie oder tiefenpsychologisch fundierte Therapie
2. Ernährungstherapie
- Aufklärung über ausgewogene, vielfältige und flexible Ernährung
- Schrittweise Normalisierung des Essverhaltens
- Entwicklung eines positiven Verhältnisses zum Essen
3. Medizinische Betreuung
- Regelmäßige körperliche Untersuchungen zur Vermeidung von Komplikationen
- Gegebenenfalls Einsatz von Medikamenten, um Begleiterkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen zu behandeln
4. Alternative Behandlungen/ Wege
Die Heilungswege können sehr unterschiedlich sein und verschiedene individuelle Bestandteile haben. Während für manche Ergotherapie, kreativer Ausdruck durch Malen, Musik oder Tanzen eine große Bereicherung ist, helfen anderen Meditation, Yoga oder Qi Gong auf dem Weg zur Heilung.
Herausforderungen auf dem Weg zur Genesung
Vorfälle (allgemein „Rückfälle“ genannt)
Das erneute Auftreten von eigentlich bereits abgelegten, ungünstigen Verhaltensmustern wird meist als Rückfall bezeichnet. Da Heilung fast nie linear verläuft und schwierige Phasen auch auf einem letztendlich erfolgreichen Genesungsweg wiederholt auftreten können, finde ich den Begriff „Vorfälle“ deutlich passender.
Sie bedeuten nicht das Ende des Heilungsprozesses, sondern bieten die Chance, aus ungünstigen Verhaltensweisen zu lernen und Strategien zu optimieren.
Perfektionismus
Viele Betroffene setzen sich unrealistische Ziele. Ein wichtiger Schritt ist, den immer angestrebten Perfektionismus nach und nach loszulassen und durch Selbstmitgefühl zu ersetzen.
Gesellschaftlicher Druck
Schönheitsideale und Stigmatisierung erschweren die Heilung. Medienkompetenz und ein kritischer Umgang mit sozialen Medien können helfen.
Wie lange dauert die Heilung?
Die Dauer des Heilungsprozesses ist individuell und sehr unterschiedlich. Einige Menschen erfahren innerhalb weniger Monate eine deutliche Besserung, während andere wesentlich länger brauchen, um Stabilität zu erreichen. Heilung ist immer ein Prozess. Wichtig ist, sich nicht entmutigen zu lassen und weiter auf das ganz eigene Ziel hinzuarbeiten. Realistische Zielsetzungen, Geduld und kontinuierliche Unterstützung sind hilfreich.
Fazit
Hoffnung auf ein gesundes Leben
Essstörungen sind ernsthafte Erkrankungen, doch die Heilung ist möglich. Mit der richtigen Unterstützung, Durchhaltevermögen und einem umfassenden Behandlungsansatz können Betroffene einen neuen Weg einschlagen und ein erfülltes Leben führen. Der erste Schritt ist oft der schwerste, aber auch der wichtigste.
Falls du vermutest, dass du selbst oder jemand in deinem Umfeld von einer Essstörung betroffen ist, zögere nicht, Hilfe zu suchen. Für eine Ernährungstherapie kannst du dich sehr gerne bei uns melden.
1 National Eating Disorders Association, 2022
2 Butterfly Foundation, 2023
3 Bundesfachverband Essstörungen, 2023
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Maja Biel
Ernährungswissenschaftlerin